Behauptung:
Der Biber zerstört Ufergehölze und Wälder

Tatsache:
Biber nutzt - wie der Mensch - Bäume, aber nachhaltig und sehr viel weniger

Die Nahrungsmenge, die der Biber zu sich nimmt, wird oft überschätzt. Während die krautigen Pflanzen, die der Biber im Sommer am Ufersaum verzehrt, meist gar nicht auffallen, springen die spitzen Stümpfe der im Winter gefällten oder die Sanduhr förmig angenagten Bäume sofort ins Auge. Sie sind nach dem Fällen noch über Jahre zu sehen. Die herumliegenden Bäume beeindrucken und täuschen zugleich den Betrachter. Häufig werden die gefundenen Bäume (reine Winternahrung) auf den Rest des Jahres hochgerechnet, so dass sich schnell eine astronomische Anzahl gefällter Bäume und eine unglaubliche Futtermenge pro Tag „errechnen“ läßt, vor allem wenn dann noch übersehen wird, dass das Holz gar nicht gefressen wird. Die tatsächlichen Futtermengen sehen jedoch ganz anders aus. Analysen von Wintervorräten und Fütterungsversuchen ergaben für den Europäischen Biber einen durchschnittlichen Konsum von ca. 900 g frische Rinde pro Winter und Tag, damit benötigt ein erwachsener Biber in den fünf Wintermonaten etwa 135 kg Rinde.

Eine fünfköpfige Biberfamilie fällt durchschnittlich pro Jahr ca. 50 Stämme mit einem Durchmesser von 18 cm. Sind nicht alle gefällten Bäume nutzbar, da sie sich im Astwerk der Nachbarn verfangen haben oder vom Menschen beseitigt wurden, steigt die Zahl der Fällungen leicht an. Der Anteil an "Hängern" liegt bei rund 12 bis 15%.

Bei rund 10 gefällten Bäumen pro Jahr und Biber und ungefähr 20.000 Bibern in Deutschland, wären dies 200.000 Stämme pro Jahr. Dieser Beispielstamm mit einem Brusthöhendurchmesser von 18 cm hat ein Volumen von etwa 0,3 Festmeter (fm). Stark vereinfacht gesagt, würden Biber also ungefähr 60.000 fm pro Jahr ernten.

Der Einschlag der Forstwirtschaft in Deutschland liegt bei rund 51.000.000 Festmeter/Jahr. Würde man rein rechnerisch den gleichen Durchschnittsstamm von 0,3 fm ansetzen, käme man auf 170.000.000 gefällte Bäume. Biber nutzen also nur etwa 0,12 %, also nur etws über Eintausendstel dessen, was unsere Forstwirtschaft einschlägt.

Doch wie hoch ist der jährliche Zuwachs im Waldbestand? Jährlich wachsen pro ha 7,7 fm nach. Bei einer Waldfläche von 11,1 Mio ha in Deutschland, sind dies über 84.000.000 fm pro Jahr. Folglich werden nur 0,07 % des tatsächlichen Waldzuwachses von den Bibern genutzt. Selbst wenn es theoretisch 10mal so viele Biber wie derzeit in Deutschland geben würde, also etwa 200.000, würden lediglich 0,7 % des jährlichen Baumzuwachses vom Biber beansprucht.

Berücksichtigt man noch den Umstand, dass der Biber vorwiegend wirtschaftlich uninteressante Baumarten, wie Weiden oder Zitterpappeln (Anteil 90 %), die aber wiederum eine besonders hohe Regenerationsfähigkeit aufweisen, nutzt, ist er weit davon entfernt, in irgendeiner Form ein Zerstörer des Waldes zu sein.

Biber und nachhaltige Forstwirtschaft haben also vieles gemeinsam. Sie nutzen beide erheblich weniger als nachwächst und zerstören damit nicht den Wald. Dort wo ein Baum fällt, stellt sich bald wieder Verjüngung ein. Sind die Fällplätze im Winter wirklich auffällig, verschwinden sie bereits im April unter dem üppigen Grün der Stockausschläge.

Anders ist dies wo der Wald gerodet wird, um Straßen oder Gewerbegebieten Platz zu machen. Für eine Autobahn fallen Millionen von Bäumen – für immer.

Pro Tag werden 93 ha in Deutschland überbaut. Jede Sekunde versiegeln wir 5,4 m2 unwiederbringlich. Flächen auf denen nichts mehr nachwächst und kein Wasser mehr versickert, sondern schnell oberflächig abläuft und zu künftigen Hochwässern beiträgt.

Allein von der Menge an Bäumen, die jedes Jahr in Deutschland im Zuge von Unterhaltungsmaßnahmen entlang unserer Straßen (230.000 km) gefällt und dann kleingehäckselt zum Verrotten ausgebracht werden, könnten sämtliche Biber Deutschlands lange davon leben.

Auch die Landwirte, Wasserwirtschaftsämter sowie die Wasser- und Bodenverbände fällen an unseren Gewässern nach wie vor reichlich Bäume im Rahmen der Gewässerunterhaltung; und dies trotz Biber. Viele Landwirte haben über Jahrzehnte z.B. in Flurbereinigungsverfahren sich gegen Ufergehölze ausgesprochen und haben die Bestände klein gehalten, weil sie angrenzende Talwiesen beschatten oder durch Wurzelausläufer beeinträchtigen würden. Der Biber hilft ihnen nun sogar, die ungeliebten Gehölze klein zu halten, indem er sie mosaikartig auf den Stock setzt. Frappierend ist, dass häufig Kommunalpolitiker und Landwirte, die sich bislang nie für Ufergehölze stark gemacht haben oder die an anderer Stelle ohne mit der Wimper zu zucken Wald für ein neues Gewerbegebiet oder eine Umgehungsstraße roden, nun „Krokodilstränen“ wegen einiger Flußbäume vergießen.

Häufig handelt es sich um alte, nicht standortgerechte Hybrid-Pappeln – die letzten Alibi-Bäume, die die intensive Landnutzung an vielen Fließgewässern übrig gelassen hat. Standortgerechte Ufergehölze sind dagegen an die Dynamik eines natürlichen Fließgewässers hervorragend angepasst. Sie sind ständigen Veränderungen, die durch Hochwasser, Eisdruck, Uferabbrüche oder Biberfällungen hervorgerufen werden, ausgesetzt und weisen deshalb generell eine hohe natürliche Regenerationsfähigkeit auf, die durch Stockausschläge zum Ausdruck gebracht wird.

60 bis 88 % aller abgebissenen Weiden  treiben mit zehn bis 35 Stockausschlägen pro Biberschnitt wieder aus. Frische Weidenstockausschläge, die durch einen Biberschnitt hervorgerufen wurden, sind etwa zwei Jahre lang reich an bitteren Fraßabwehrstoffen (Phenolglycoside und Tannine). Die Weiden haben seit Urzeiten einen natürlichen Schutzmechanismus, um sich so vor zuviel Nutzung zu schützen, damit sie in ausreichenden Maße regenerieren können. In dieser Phase meidet der Biber meist diese jungen Triebe. Danach normalisiert sich der Gehalt an Bitterstoffen wieder und der Biber nutzt diese Stockausschläge besonders gern.

Durch ihre Fällaktivitäten ändern Biber nicht nur die Struktur der Ufervegetation, sondern auch die Artenzusammensetzung: Arten, die sich durch Stockausschlag regenerieren können sich halten, Arten, die dazu nicht in der Lage sind, verschwinden. In den Lichtungen haben Pionierbaumarten und licht- und wärmeliebende Pflanzenarten verbesserte Ansamungsmöglichkeiten, durch Stockaustriebe und deren regelmäßige Nutzung durch den Biber entstehen auch junge Waldstrukturen. Der Biber leistet mit seiner Fraßtätigkeit daher einen unschätzbaren Beitrag, dass an unseren Flüssen und Bächen endlich wieder naturnahe, verjüngte und an die natürliche Flußdynamik angepasste Gehölzarten wachsen.

[zurück]